2019-12-01-Servus SuperMUC
Er wiegt so viel wie 42 Elefanten und gehört jetzt zum alten Eisen: Nachdem er mehr als neun Milliarden Stunden gerechnet und damit 6,3 Millionen Aufträge für Forscherinnen erledigt hat, wurde der 250 Tonnen schwere SuperMUC, eigentlich ein System aus zwei Computer-Anlagen, teilweise abgebaut und der Wiederverwertung zugeführt. Rund 133 Millionen Euro haben der Freistaat Bayern und der Bund in die nationalen Höchstleistungsrechner am Leibniz-Rechenzentrum (LRZ) investiert. „Die rasante Entwicklung der Informatik führt dazu, dass so ein Rechner innerhalb von sechs bis sieben Jahren so veraltet ist, dass sein Betrieb nicht mehr wirtschaftlich ist, ein neues System also mehr Leistung für weniger Geld bringt“, erklärt Professor Dieter Kranzlmüller, Leiter des LRZ. „Aber Rechenleistung ist nicht alles. Als Dienstleister unterstützen und beraten wir Wissenschaftler bei der Modellierung von Daten und bei der Entwicklung von Simulationen für die Höchstleistungsrechner.“
6 Computerjahre ersetzen 24.000 Menschenjahre
Zwischen 2012 und 2018/19 rechnete der SuperMUC für 820 Projekte und 2230 Forscherinnen aus 23 Nationen. Mit dem größten Auftrag, „Beobachtbare Nukleone als Testfall für die (Teilchen)Physik jenseits von Standardmodellen“, war der Computer knapp 212 Millionen Rechnerstunden beschäftigt: Wenigstens 300 Menschen hätten 80 Jahre lang rechnen müssen, um die Bewegungsdaten von Neutronen und Protonen auszuwerten und damit den Auftrag des Deutschen Elektronen Synchroton (DESY), dem Zeuthener Zentrum für Grundlagenforschung, zu erledigen. Diese Berechnungen helfen, die schwarze Materie im All zu bestimmen, vielleicht liefern sie noch Ideen für High-Tech-Materialen.
„Es ist unwürdig, die Zeit von hervorragenden Leuten mit knechtischen Rechenarbeiten zu verschwenden“, meinte einst der Forscher Gottfried Wilhelm Leibniz. Weil Maschinen genauer und schneller rechnen, wurde der SuperMUC (Phase 1 und 2 zusammen) aus 12525 Knoten und rund 240.000 Rechenkernen erbaut. In 238 Racks angeordnet und mit mehr als 250 Kilometern Glasfaserkabel und 46 Kilometern Kupferrohren vernetzt, erreichte der Supercomputer in seinen Glanzzeiten eine Spitzenleistung von 6,8 PFLOP/s. Im Jahr 2012 wurde die erste Implementierung von SuperMUC- SuperMUC Phase 1- zum viertschnellsten Computer der Welt gekürt, 2018 erreichte er nur noch den 64.
Big Data in der Wissenschaft
Zum Start des SuperMUC produzierten vor allem Strömungsmechanik (isg. 2,16 Mrd. Rechenstunden), Astrophysik (1,9 Mrd.) oder Bioinformatik (1 Mrd.) so viele Daten, dass nur ein Supercomputer sie auswerten konnte. Durch die Digitalisierung explodierten in weiteren Wissensgebieten die Zahl der Daten. SuperMUC rechnete für Meterologen (153 Mio. Rechenstunden), Plasmaphysikerinnen (80 Mio.), Ingenieure (Strukturmechanik) und Materialexpertinnen (je rund 35 Mio.) und für Mediziner (9 Mio.), zuletzt sogar für Wirtschaftsspezialistinnen (10.000 Std.) und chemische Physik (42239 Std).
Die Datenmengen wachsen weiter, der Bedarf an Virtualisierung und Visualisierung ebenfalls. Aus Tausenden von Fotos, Plänen, Malereien errechnete der SuperMUC räumliche Modelle des Kaisersaals der Neuen Residenz Bamberg oder des Gebetsraums in Schloss Oberschleißheim: „Virtualisierungen und Visualisierungen benötigen enorme Rechenkraft und werden heute auch von Sozial- und Kultur-Wissenschaften nachgefragt“, berichtet Kranzlmüller. „3D-Modelle öffnen Forschung und Öffentlichkeit unzugängliche Kunstwerke, Simulationen helfen Gesellschafts- und Naturphänomene besser zu veranschaulichen und zu verstehen.“ Rechenzentren erforschen die dafür notwendigen Anwendungen: In 150 Workshops und Kursen wurden 4000 Spezialisten für die Arbeit am SuperMUC qualifiziert. Zudem vernetzen sich Wissenschaft und Forschung: So arbeitete SuperMUC knapp 5,4 Millionen Aufträge aus Deutschland ab, vor allem aus Bayern (4,5 Mio.) und Nordrhein-Westfalen (171.426). 10 Prozent seiner Rechenzeit oder 3 Prozent seiner Aufträge wurden an Forscherinnen im Ausland vergeben, vor allem nach Italien (34.381 Jobs) und Frankreich (34.170). Aus der EU wurde der SuperMUC knapp 114.000 Mal beansprucht, 30.000 Mal indes aus Norwegen, der Schweiz, der Türkei und Israel, aus Neuseeland und den USA.
Ausgezeichnete Ergebnisse mit wenig Energie
Die Ergebnisse, die der Garchinger Supercomputer vorlegte, gewannen internationales Lob: So schuf er für das Projekt SeisSol zur Darstellung von Erdbebenwellen mehrere 2D- und 3D-Modelle. Eine der Simulationen des internationalen Teams erreichte 2014 das Finale des Gordon Bell Awards für Hochleistungsrechnen. Doch schnelles Rechnen benötigt Energie – seit den Anfängen des SuperMUC kommt die aus erneuerbaren Quellen. Der Supercomputer brauchte im Schnitt 30 GWh pro Jahr – etwa so viel wie 7500 Vier-Personen-Haushalte oder eine Stadt mit etwa 30.000 Einwohnern.
Hört sich nach viel an, war aber extrem sparsam. Durch den mehrfach ausgezeichneten Kühl-Kreislauf sparte SuperMUC mehr als 32 Millionen Kilowatt-Stunden Strom. Summa summarum waren das 5 Millionen Euro, die in andere Wissenschaftsprojekte fließen konnten.
Infografik Errungenschaften SuperMUC